
„Ich denke, also bin ich.“ - René Descartes
Dieser fehlerhafte Gedanke birgt eine Angst in sich – höre ich auf zu denken, höre ich auf zu sein.
Doch erst mit dem nicht-denkenden Gewahrsein lernen wir, ein Sensorium für den Geist aufzubauen, der sich der Welt der Gedanken entzieht.
Der Verstand, das Gehirn, ist Körper.
Ich habe bisher sehr wenige Menschen kennengelernt, die sich von ihrer ausschließlichen Identifikation mit dem Körper gelöst haben und dennoch im Einklang mit ihm leben. Doch erst dann sind wir fähig, uns selbst auf einer tieferen Ebene zu begreifen und auszudrücken.
Identifizieren wir uns ausschließlich als Körper, dann hat der Verstand die Kontrolle über den Geist und ist sein Herr. Der Geist hat in diesem Zustand nur bedingt die Möglichkeit, seine Eigenschaften auf den Körper zu übertragen. Er wird in einem eingeschränkten Zustand vom Verstand genutzt, während dieser glaubt, es wären seine Fähigkeiten und er ausschließlich ein Individuum. Der Verstand ist sich seiner absoluten Anbindung an den Geist nicht bewusst. Das Gehirn ist Empfänger, Sender und Arbeitsspeicher, während die Festplatte außerhalb von ihm liegt. Das verdeutlicht ein grundlegendes Prinzip.
Wir sind Kollektiv und Individuum zugleich. Untrennbar miteinander verbunden, mit fließenden Übergängen.
Wir können diese Tatsache zwar logisch betrachten, doch nur wenn wir unseren Fokus frei machen von Äußerlichkeiten und unsere Aufmerksamkeit auf das innere Gewahrsein richten, können wir Geist erfahren.
Geist ist Bewusstheit, ist Gewahrsein. Geist durchdringt alles, ist alles.
Der Tropfen ist der Ozean und der Ozean ist der Tropfen.
Die Tropfen sind einzelne Aufmerksamkeitsbrennpunkte innerhalb eines Ozeans absoluten Gewahrseins. Doch kann der Tropfen niemals vom Ozean getrennt sein.
Nur der Verstand, in seinem Auftrag, für das eigene Überleben zu sorgen, kann die Illusion aufbauen, von sich selbst und seiner Grundlage getrennt zu sein.
Nur der Verstand kann denken, dass es die Möglichkeit gibt, aufzuhören zu sein.
Der Verstand, der Körper, kann ohne Geist und Seele nicht existieren.
Geist und Seele sind Begriffe, die versuchen, verschiedene Eigenschaften ein und desselben Seins zu beschreiben. Die Seele ist die Möglichkeit, wie BewusstSein sich erfährt und ausdrückt. Es ist die Bühne, die Leben ermöglicht, auf, in oder durch die alles geschieht. Diese Bühne wird von der Fähigkeit des Bewusstseins geschaffen, Energie lenken zu können. Ohne Bewusstsein, keine aktive Energie. Energie ist immer und überall in einem passiven Zustand vorhanden und erst wenn Bewusstsein den Fokus ausrichtet, wird Energie aktiviert.
Erfahrung findet durch die Seele statt. Sie ist Träger der aktiven Energie. Durch sie ist aus dem Sein ein Da-Sein geworden.
Leere ist Form, Form ist Leere.
Wir als Menschen sind eine hoch entwickelte Form, fähig Seele und Geist in ihrer Herrlichkeit auszudrücken.
Wir dürfen zunächst den Verstand verlieren, um uns auf einer tieferen Ebene zu erfassen.
Indem wir Aufmerksamkeit von ihm abziehen, schaffen wir ein Sensorium für das formlose Sein, für die Leere.
Unsere Traumata versperren dabei oft die Sicht. Der Verstand hat ein Geflecht aus Schutzmechanismen entwickelt, um den Schmerz durch vergangene oder erwartete Erfahrungen zu meiden. Wir dürfen lernen, aus einer liebenden Haltung heraus, genau dort hinzuschauen, wo es weh tut. Heilung erfahren wir durch das Fühlen des mit der Erfahrung verbundenen Schmerzes. Nur indem wir ihn einladen und ihm einen Platz in unserem Herzen geben, das bedeutet, jeglichen Widerstand fallen zu lassen, kann die zuvor abgespaltene Energie wieder integriert werden. Wir vervollständigen uns selbst.
Widerstand ist Schmerz.
Indem wir die Erfahrung an sich ablehnen, trennen wir uns von dem Moment und erschaffen Schmerz. Wir trennen die Erfahrung von dem Strom der Lebensenergie und schließen sie daraufhin weg. Zusammen mit all den anderen Schmerzkörpern bilden sie ein Netzwerk aus unbewussten Anteilen, die unser tägliches Leben maßgeblich bestimmen.
In der unbewussten Vermeidung ebensolcher schmerzlichen Erfahrungen werden manche Menschen nahezu blind für die Schönheit des Lebens, leben in Angst und sehen in allem stets den möglichen Schmerz.
Um die unbewussten Schmerzkörper zu heilen, dürfen wir dem eigenen Schmerz und der Angst vor diesem folgen, ohne darüber zu urteilen.
Eine innere Haltung, geprägt von Mitgefühl, Vergebung und einer Anbindung an die alles umfassende Liebe, ist dabei von großer Wichtigkeit. Ohne diese Anbindung, ohne die friedensschaffende Stimme der Stille im Innern, kann der Schmerz auch überwältigend sein.
Das bewusste Wahrnehmen des Schmerzes heilt diesen.
Unsere Aufmerksamkeit ist wie das Licht, das die im Schatten liegenden Teile beleuchtet. Eine offene Haltung bringt die abgespaltenen Energien wieder zurück in den Strom unserer Lebensenergie. Es ist oft ein langer Prozess, den Berg an Gefühlen, der sich in diesen Energien verbirgt, zu verarbeiten. Doch wir haben keine Eile.
Stück für Stück reinigen wir uns von dem Ballast der unbewussten Schmerzkörper, die wir zuvor unter großer Angst von uns ferngehalten haben. Diese Ängste können bis ins Unermessliche steigen, während der Verstand die Kontrolle über die Wahrnehmung hat.
In der Stille, abseits des Verstandes, erfahren wir die Eigenschaften der Geist-Seele. Die allumfassende Liebe, die aufbauende Energie, ohne die Da-Sein nicht möglich wäre. Mitgefühl, die absolute Annahme von dem, was ist, ohne etwas daran verändern zu wollen. Vergebung, Schuld ist eine Illusion des Verstandes, wir sind alle Mitschöpfer auf dem Weg der Selbsterkenntnis.
Durch die Identifikation als ein Bewusstsein, das Geist und Seele und Körper ist, begegnen wir dem Verstand, seinen Schmerzkörpern und Ängsten, mit Gelassenheit und Selbstbewusstsein.
Die schmerzlichen Erfahrungen sind nicht länger Ballast, sie werden als Teil unseres Seins akzeptiert. Die körperliche Erfahrung ist der Ausdruck von Bewusstsein und in seiner Vollkommenheit unvollkommen.
Akzeptieren wir die Polarität des Da-Seins, lehnen wir den Schmerz nicht länger ab. Wir erkennen ihn als einen Teil von dieser Realität an und lernen dadurch Demut und Stärke.
Wir werden wieder ganz, eine Sehnsucht, die uns zutiefst berührt.
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